Von der Mauer zur
Ringstraße
Als das Kapuzinerkloster Anfang des 17. Jahrhunderts errichtet wurde, lag es nah zu den Verteidigungsanlagen der Stadt. Für einen Bettelorden war die Nähe zur Stadt immens wichtig, verstanden sich die Brüder historisch doch als das, was wir heute "Dienstleister" nennen. Doch die Lage direkt hinter den Stadtmauern brachte auch Gefahren mit sich, so wurden im Klostergarten Geschosse aus der Zeit der Türkenbelagerungen gefunden. Mittlerweile ist die Mauer einer Prachtstraße gewichen. Verantwortlich für dieses Großprojekt zeichnete niemand geringerer als Kaiser Franz Joseph.
Aus Anlass des österreichischen EU-Ratsvorsitzes im Jahr 2018 wurde die Ringstraße rechtzeitig vor dem Sommer auf Vordermann gebracht und alle Baustellen abgeschlossen. Vor ungefähr 150 Jahren war die Ringstraße aber noch zur Gänze eine Baustelle.
Allgemein bekannt ist, dass ursprünglich eine große Mauer die Stadt umgab. Mitte des 19. Jahrhunderts war Wien aber zu klein geworden, rund um die Verteidigungsanlagen entstanden immer größere Vorstädte, die Stadt war dicht besiedelt und erinnerte mit ihren engen Gassen und der Stadtmauer mehr ans Mittelalter als an eine wichtige Metropole und Hauptstadt eines großen Reiches. Keine Frage – die Mauer musste weg!
1857 gab Kaiser Franz Joseph den Auftrag, die Wiener Basteien zu schleifen. An ihrer Stelle sollte eine große Straße entstehen, die, von prächtigen Gebäuden gesäumt, Wien als moderne Großstadt im neuen Glanz erstrahlen lassen würde. Dabei wandte sich Franz Joseph, seines Zeichens großer „Fan“ des Heeres, gegen seine Militärs. Die argumentierten nämlich entschieden gegen den Abriss der Basteien. Viel zu deutlich hatten sie noch das Jahr 1848 vor Augen, als die Wiener, gezeichnet von Wirtschaftskrise und dem System Metternichs, zu den Waffen griffen. Von der Stadtmauer war damals nicht auf ein eindringendes Heer, sondern die revoltierende Bevölkerung geschossen worden.
Das Heer konnte aber immerhin erreichen, dass an der Ringstraße drei Kasernen errichtet wurden, die es ermöglichten, Truppen schnell zu verschieben. Außerdem sollte die Breite von 57 Metern sicherstellen, dass die Ringstraße nicht verbarrikadiert werden konnte.
Als der alte Kaiser Franz Joseph im Jahre 1916 schließlich starb, geleitete man seinen Leichnam mit allen militärischen Ehren zur Kapuzinergruft, wo er, gekleidet in die Galauniform eines Feldmarschalls, bestattet wurde.