Die Mutter
Österreichs
"Einmal haben die Habsburger einen Mann
und dieser ist eine Frau."
Friedrich II. von Preußen
Bereits 30 Jahre vor ihrem Tod beauftragte Maria Theresia den Hofbaumeister Jean Nicola Jadot de Ville-Issey mit der Errichtung einer Grabanlage in Form eines Kuppelbaus im Sakristeigarten des Kapuzinerklosters.
Das Mausoleum als religiöse Aussage
Die ersten drei Grufträume (Gründer-, Leopolds- und Karlsgruft) dienten vor allem der Aufnahme von Sarkophagen. Die im Stil des Rokoko gehaltene Maria-Theresien-Gruft hatte diese Zweckhaftigkeit überwunden, ihre Gestaltung als Mausoleum wurde zur religiösen Aussage. Hier ist die Grablege nicht mehr unterirdischer Begräbniskeller, sondern nimmt einen Teil des Sakristeigartens in Anspruch, der zum Innenhof des Klosters gehört.
Beeinflusst durch Strömungen innerhalb der französischen Architektur, schuf der vom Kaiser begünstigte Architekt Jean Jadot de Ville-Issey ein religiöses Bauwerk ohne die Forderungen der höfischen Repräsentation zu vernachlässigen. Am eindrucksvollsten gestaltete er den mit einer Kuppel bekrönten und nach den Vorstellungen des Kaiserpaares Franz I. Stephan und Maria Theresia geschaffenen Rokokozentralraum.
1748 erfolgte der erste Bauabschnitt, der aber keine Zustimmung der Kaiserin erhielt. Als Maria Theresia im Westen der Grabstätte einen weiteren Gruftraum hinzufügen ließ, fehlte noch der Prunksarkophag ihrer Mutter Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel. Der Raum wurde, als er sich als zu klein erwies, wieder abgerissen.
Mit dem Bau der jetzigen Maria-Theresien-Gruft wurde am 25. April 1753 begonnen. Die Baumeister waren Jean Nicola Jadot de Ville-Issey und Nicolaus von Pacassi. Bereits am 13. Juli war der Bau beendet, am 13. Oktober die Eindeckung mit Kupferplatten sowie die Bekrönung der Kuppel durch eine Bronze-Laterne fertiggestellt.
Josef Ignatz Mildorfer beendete das Kuppelfresko noch während des Winters. Für ihn, einen der namhaftesten Schüler Paul Trogers, war das Thema – die Vision des Propheten Ezechiel – nicht neu. Er hatte es bereits in den Arkaden des ehemaligen Innsbrucker Friedhofs verarbeitet. Im nächsten Jahr, am 9. August 1754 – Maria Theresia war zu dieser Zeit 37 Jahre alt –, stellte Balthasar Ferdinand Moll den riesigen Doppelsarkophag auf und erhielt dafür 9193 fl. 18 1/2 Kr.
"Freytag den 20. Sept um 8 Uhr wurde das erweiterte Kayl. Königl. neue grufften gebäu und dabey befindliche Capelle, oder altar von dem hiesigen herrn Ertz Bischoffen Fürsten Trauthson grafen zu Falkenstein in bedienung des Hof-Ceremoniarij gantz in der Stille eingeweiht.“
Maria Theresia ließ einige Tage später die Särge ihrer Töchter Maria Elisabeth (N°48) und Maria Karolina (N°53) sowie der Gräfin Fuchs-Mollarth (N°41) aus der alten Gruft in die neue tragen.
Der prachtvolle Riesensarkophag des Herrscherpaares, gestaltet von Balthasar Ferdinand Moll, zeigt in den seitlichen Reliefs Szenen aus ihrem Leben. Um den elterlichen Metallsarkophag gruppieren sich die eleganten Rokokosärge jener Kinder, die, mit Ausnahme von Joseph II. (N°42), alle vor der Kaiserin gestorben sind. Auf ausdrücklichen Wunsch Maria Theresias ist ihre Erzieherin und spätere Gouvernante ihrer Kinder, die Reichsgräfin Fuchs-Mollarth als Zeichen der Verbundenheit mit Maria Theresia als einzige Nicht-Habsburgerin ebenfalls hier in der Kapuzinergruft beigesetzt. Im Tode vereint: Der winzige Säuglingssarg von Christina (N°51), der unter den Sarkophag der Mutter Isabella von Parma (N°50) geschoben wurde, und der ergreifend gestaltete Sarg mit Vollplastik des Körpers der kleinen Maria Theresia (N°52), innig geliebtes Kind von Kaiser Joseph II.
Vier Töchter des Kaiserpaares wurden nicht in der kaiserlichen Familiengruft beigesetzt: Maria Anna (1738-1789, begraben im Elisabethinenkloster in Klagenfurt), Maria Elisabeth (1743-1808, bestattet in der Jesuitenkirche in Linz), Maria Amalia (1746-1804, beigesetzt im Veitsdom in Prag) und Marie Antoinette (1755-1793, Gemahlin von König Ludwig XVI., begraben in St. Denis in Paris).
Der Bau der Maria-Theresien-Gruft wurde vom Hofarchitekten Jean Jadot de Ville-Issey geleitet, der, wie sein Förderer Kaiser Franz I. Stephan, aus Lothringen stammte. Jadot (1710-1761), in Frankreich geschult, hatte für Franz I. Stephan bereits in Florenz einen antikisierenden Triumphbogen errichtet und war dem Kaiser nach dessen Krönung 1745 nach Wien gefolgt. In ein Intrigenspiel mit Nicolaus von Pacassi verwickelt, musste er Wien 1753 verlassen. Er schuf einen religiösen Raum in alter künstlerischer Tradition. Auf kreuzhaftem Grundriss entstand ein Zentralraum mit ovaler Kuppel. Monumentale Ausprägungen dieser Bauform finden sich zum Beispiel in den armenischen strahlenförmigen Kuppelbauten. Auch die iranischen, mesopotamischen, syrischen, kleinasiatischen, byzantinischen Grabmäler entsprechen diesem Typus, der dann bei den spätantiken und frühchristlichen Mausoleen neue Belebung erfuhr.
Den Süden Europas erreichte diese Bauform im frühen Mittelalter, man denke etwa an das Theoderich-Grabmal in Ravenna. Die Wiederaufnahme des Ovalkuppelbaus in der Baukunst brachte die italienische Renaissance. Um 1600 verdrängte aber der Kreisbau das Oval auch diesseits der Alpen.
Geistiges Vorbild unterirdischer Grabbauten sind mit großer Wahrscheinlichkeit die Hypogäen der Etrusker, die aus einer Hauptkammer mit Nebenkammern (zum Beispiel das Volumniergrab bei Perugia) oder aus verschiedenen Grabkammern bestehen können.
Die Kuppel
Die kupfergedeckte Kuppel der Maria-Theresien-Gruft erhebt sich bis zum zweiten Stockwerk des Klosters. Sie wird von Pilastern getragen, die von einem weißen Gesims unterbrochen werden.
Von den Fenstern der Kuppel – sie führen an der Ostseite in den Betchor, an der Südseite in den Klostergang – strömt Licht von oben auf die Sarkophage, “um gleichsam die Toten heimzuholen in eine höhere Wirklichkeit“.
Die Wirkung des einfallenden Lichtes auf die Atmosphäre des Raumes empfand Ginhart folgendermaßen:
"Wenn die Nischen im dämmernden Abendschatten liegen, das fahle Meergrün der Särge dann ausgebrannten Gebirgen gleicht, ist vollends alles Körpertum verflüchtigt, und in hauchartiger Unwirklichkeit scheinen dann die zackigen, dornenhaft zerhackten und zerrissenen Gebilde geisterhaft zu schweben."
Dem Geist der Zeit sowie der höfischen Repräsentation entsprechend erhielt die Gruft eine kostbare farbige Ausstattung – vorwiegend in marmoriertem, glänzendem Rosastuck. Die vertieften Felder an den Vierungspfeilern sind in hellem Grüngrau gehalten, die Seitenwände und Zwickel an den Blendbogen in Blaugrau; alle Gesimse und Bogeneinfassungen sind in grauviolettem Stuckmarmor ausgeführt, die Totenkopfkartuschen an den Scheiteln der Bogen und die Konsolen am Kuppelgesims sind dagegen weiß ausgestattet.
Das Kuppelfresko
Im Auftrag Maria Theresias schuf Josef Ignatz Mildorfer ein Kuppelfresko, welches die Auferstehungsprophetie nach Ezechiel 37,5 zum Thema hatte: "Ecce ego intromittam in vos spiritum et vivetis.“ – "Seht, ich werde Geist in euch bringen, dass ihr lebendig werdet.“ Rötliche und weiße Wolken überziehen mit schimmerndem Dunst den Himmel, von dem goldene Strahlen ausgehen. Darunter lagern die Leichname. Ezechiel gebietet den Winden, die aus allen Richtungen herbeiwehen und Atem in die toten Gebeine blasen. Sie richten sich auf und leben: "O Geist, komme von den vier Winden herbei, hauche diese Toten an, dass sie wieder lebendig werden.“ (Ezechiel 37,9).
Die religiöse Aussage wird für den Betrachter von außen wiederholt. Die Kuppel ist mit gehämmerten patinierten Kupferplatten gedeckt und von einem Aufsatz – auch als Laterne bezeichnet – in Kupferbronze bekrönt.
Auf einem volutengestützten, weich geschwungenen Untersatz mit zwei Wappenschildern liegt ein Polster und darauf über gekreuztem Gebein ein gekrönter Doppeltotenkopf mit Erzherzogshut. An der Nordseite des Sockels ist die Jahreszahl 1753 angebracht. Dieser Aufsatz der Kuppel ist eine Arbeit Balthasar Ferdinand Molls.
Die Maria-Theresien-Gruft im Überblick
Erbauer/Stifter: Maria Theresia und Kaiser Franz I. Stephan
Baumeister: Jean Nicola Jadot de Ville-Issey, Nicolas Pacassi
Baustil: Rokoko
Sarkophage:
"Einmal haben die Habsburger einen Mann
und dieser ist eine Frau."
Friedrich II. von Preußen